Die öffentliche Aufmerksamkeit für sich
zu gewinnen, ist nicht nur für die Auftragslage wichtig. Zunehmend wollen auch
die Nachwuchskräfte gezielt umworben werden. Je offener, lokaler und
authentischer Betriebe dabei auf ihre Zielgruppen zugehen, desto größer ist
heute ihre Chance, sich von der globalen Informationsflut abzuheben.
Anders als vor etwa 20 Jahren, als
Pressemitteilungen noch gelesen und Pressegespräche noch rege besucht wurden, stehen
die klassischen Medien mittlerweile ebenso unter Dauerbeschuss mit Neuigkeiten wie
ihre Leserschaft. Beide haben sich seither in ihrem Verhalten so grundlegend
verändert, dass man auch bei der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit heute von
einem Entwurf 4.0 sprechen kann.
Das Informationsangebot ist durch das
Internet und die digitalen Medien mehr als üppig geworden. Genügten früher die
Tageszeitung aus dem Briefkasten und die Abendnachrichten aus dem Fernsehen, um
zufrieden auf dem Laufenden zu bleiben, werden wir heute rund um die Uhr mit E-Mail-Weiterleitungen,
Newslettern, RSS-Feeds, dazu Facebook, Twitter, WhatsApp und Instagram, YouTube
und Snapchat bespielt.
Die Anzahl der Medien hat sich inzwischen
verhundertfacht. Aus Betriebssicht einfach mehr Kanäle für die eigenen
Nachrichten zu nutzen, reicht nicht aus. Denn dazu kommt der Zeitdruck. Durch
den Dauerbeschuss aus einer Vielzahl von Medien hat sich die Wahrnehmung
drastisch verändert. Die Leser bleiben nur noch extrem kurz bei einer Info
hängen, bevor sie schon zur nächsten weiterspringen. Kaum etwas prägt sich noch
ein.
Die Leser entscheiden mittlerweile
selbst, was für sie interessant oder eine Neuigkeit ist. Sie filtern nach
Inhalten, die sie berühren, die eine Emotion bei ihnen auslösen. Das bedeutet
für den Handwerksbetrieb, der eine Nachricht verbreiten möchte, diese am besten
in eine Geschichte zu verpacken – eine Geschichte mit echten Menschen, mit
denen man mitfühlen kann; eine Geschichte mit einer Handlung, die man
nachverfolgen kann, und die ein Ziel oder eine Moral hat, die sie spannend und
glaubhaft macht und die im Gedächtnis hängenbleibt.
Wer die Menschen berühren möchte, schafft
das nicht mit bloßen Fakten. Damit eine Geschichte in Erinnerung bleibt, muss
sie Emotionen erzeugen. Bereits in der frühen Steinzeit wurden Erzählungen
geteilt, um Erfahrungen und wichtige Informationen weiterzugeben: Wie erlege
ich einen Bären? Wie finde ich im Wald Schutz? Wie mache ich Feuer? Diese
Geschichten sicherten das Überleben. Nur relevante Informationen schafften den
Weg ins Gehirn.
Dieses Prinzip gilt bis heute. Beim
Geschichtenerzählen erfahren wir nicht nur, was passiert, sondern fühlen mit
den Personen mit und lernen aus ihrem Handeln.
Im Kern sind drei Fragen zu beantworten:
- An wen richtet sich unsere Geschichte? Wer ist das Publikum?
- Wofür interessiert und begeistert sich unsere Zielgruppe?
- Was unterscheidet uns von anderen und wie können wir das
mit einem Touch Emotion rüberbringen?
Diesen Weg zum Story-Telling zu erkunden,
war Thema von zwei Workshops, die der Fachverband Tischler NRW im Rahmen seiner
Veranstaltung „Treffpunkt Tischler NRW“ Anfang September im RuhrCongress Bochum
anbot. Deren Referentin war die Kommunikationswissenschaftlerin Julia Kreuteler,
die in Mönchengladbach das Mitgliedermagazin der dortigen Kreishandwerkerschaft
betreut. Die Erfahrung aus sechs Jahren mit Geschichten aus dem Handwerk zeigen,
dass diese durch ihre Authentizität tatsächlich mehr Aufmerksamkeit bekommen
und sich in der Informationsflut durchsetzen können.
Der Zeitrahmen von jeweils 60 Minuten machte
es nicht möglich, in den Workshops die komplette Methodenpraxis für die
„Medien- und Öffentlichkeitsarbeit 4.0“ zu vermitteln. Das Engagement der
Teilnehmer hat währenddessen für überraschend viele kreative Ideen und außerdem
einen intensiven Erfahrungsaustausch untereinander gesorgt. Es steht zu
vermuten, dass im Anschluss eine Reihe von Impulsen mit in den heimischen
Betrieb genommen werden konnten.
Am ersten Workshop nahmen 22
Treffpunkt-Besucher teil. Nach einer Einführung zum Thema wurden sie vor die
Aufgabe gestellt, in Kleingruppen Stichworte zu den folgenden sechs Fragen zu
sammeln:
- Bandbreite
– Was machen Tischler alles? – zum Beispiel von A bis Z?
- Innovationen
– Mit welchen modernen Hilfsmitteln/Techniken arbeiten Sie – im Vergleich zu
„Meister Eder“?
- Kundenerwartungen
– Ein Auftrag droht: Warum soll der Kunde damit zu Ihnen kommen? Was will
er von Ihnen?
- Azubi-Suche
– Was macht den Tischler-Beruf für Jugendliche attraktiv?
- Fachkräfte-Suche
– Was erwarten Mitarbeiter von Ihnen? Was bieten Sie als Arbeitgeber?
- Werkstatt-Besuch
– Tag der offenen Tür ... Mit welchen Programmpunkten machen Sie Ihr
Handwerk „erlebbar“?
Diese Stichwortsammlungen stellen die
Basis, den roten Faden für Geschichten aus dem Handwerksleben dar, die gehört
werden. Nach dem Brainstorming tauschten die Gruppen ihre Ergebnisse
untereinander aus und ergänzten dabei zahlreiche Erfahrungen, die sie bereits
selbst in der Praxis gemacht hatten.
Der zweite Workshop kam mit über 50
Teilnehmern an seine Kapazitätsgrenze. Für Gruppenarbeit blieb schlicht kein
Raum. Deshalb übernahmen sechs Co-Moderatoren aus dem Gästefeld die Aufgabe,
die Ergebnisse aus dem ersten Workshop zu präsentieren, mit ihrer Einschätzung
zu kommentieren und das Publikum um Ergänzungen zu bitten. Erneut war die
Resonanz außerordentlich konstruktiv. Wieder tauschten die Teilnehmer eigene
Erfahrungen miteinander aus und fanden im Dialog zu neuen Ideen.
Unterm Strich darf festgehalten werden:
Das Handwerk hat Geschichte und ist gleichzeitig voller Geschichten. Es braucht
nur einen Auslöser, diese zu erkennen, sie freizulegen und zu erzählen. Das hat
am 8. September in Bochum bereits hervorragend funktioniert. Es ist nun an der
Zeit, dass die Öffentlichkeit davon erfährt.